Denn in der Tat zeigte die Amalienburg schon äußerlich eine Fülle dekorativer Details[i]. Der nach Süden gewendete Haupteingang wurde von einem repräsentativen Hausteinportal eingerahmt, von dem wir ein ähnliches, zeitgleiches Exemplar im Innenhof von Schloß Gottorf (Nordflügel, Aufgang zum Hirschsaal) finden. Letzteres wurde 1670 von dem Hamburger Steinmetz Cordt Busch fertig angeliefert und aufgesetzt. Busch lieferte jedoch gleichzeitig noch ein zweites Portal „ufm Newenwercke“[ii] – und es steht damit stark zu vermuten, daß es sich hierbei um den Südeingang der Amalienburg handelte. Es mag bezeichnend sein, daß gerade das Bauteil mit dem anspruchsvollsten Maßverhältnis (Goldener Schnitt) als ‚Fertigteil’ aus Hamburg kam, also nicht Tamsens Entwurf gewesen sein kann. Der Zimmermeister wird nur die Rohmaße vorgegeben haben[iv].
Das Portal war rundbogig und wurde von flachen Rustikablenden mit vorgestellten Pilastern eingefaßt. Letztere besaßen Kompositkapitelle[v] und trugen einen schmalen Architrav mit darüberliegendem Fries und flachem Dreiecksgiebel. Das Schmuckwerk des Portals wurde thematisch vom Garten dominiert; so waren die Pilaster mit reichen, plastisch gemeißelten Fruchtgehängen verziert, und auch die Kapitelle zeigten Fruchtgehänge. Im Giebelfeld befand sich ein Lorbeerkranz mit dem Spiegelmonogramm Friederike Amalies. Dies alles war – ebenso wie die Pilasterkanten, die Profile und Gesimse – mit Blattgold überzogen. Den Rest des Portals hatte man mit grauer Steinfarbe gestrichen. Über die beiden anderen Eingangsportale im Westen und Norden machte C. A. Thomsen– sichtlich geblendet von dem übrigen Prunk – im Bauinventar allein die Bemerkung, daß die „Seiten thüren […] bögen und gesimbs von gehauen Stein, grau angemahlet“ besaßen[vi]. Die Vermutung, daß diese damit etwas schlichter gehalten waren, bestätigt die Gouache von Stelzner, die den Nordeingang der Amalienburg zeigt: hier wird das Rundbogenportal nur von einem flachen Rustikafeld eingerahmt, während die Pilaster fehlen; der Dreieckgiebel ruhte auf drei Kugeln im Fries[vii]. Steingrau waren auch der Gebäudesockel[viii] gestrichen, die Balustrade des Dachumganges, die Fenster in ihren flachen Wandnischen; ebenso hatten die Bleiabdeckungen der Holzschwellen der Dachaufbauten einen steingrauen Anstrich erhalten, um einen farblichen Anschluß an die Balustrade zu erzeugen.
Bei den Fenstern handelte es sich durchweg um große Vierflügelfenster, die in Eichenholzzargen standen und deren untere Flügel etwas länger waren als die oberen. Im Erdgeschoß konnten vor die unteren Fensterflügel noch Läden geschlagen werden. Diese waren nach außen ebenfalls grau gestrichen, trugen aber eine einfache Illusionsmalerei, die halbrunde Nischen vortäuschen sollten[ix]. Auf ihre Innenseiten waren perspektivische Gartendarstellungen gemalt, so daß man auch bei geschlossenen Läden aus den Räumen in einen – freilich illusionären - Garten hinausblicken konnte. Die Fenster waren ganz sicher noch (anders als auf der Darstellung Stelzners) mit den kleinformatigen Bleistegscheiben der Barockzeit gefüllt[x]. Über den Spitzen der dunklen Schieferdächer standen vergoldete Kupferkugeln mit dem Namenszug Friederike Amalies, die von ebenfalls vergoldeten Palmwedeln umgeben waren und von Kronen (ebenfalls „Starck verguldet“[xi]) geschmückt wurden.
Die eigenartigste Dekoration bestand jedoch in der Farbigkeit des Mauerwerks: Die Backsteine waren diagonal geteilt und zur einen Hälfte gelb und zur anderen rot gestrichen, „…welches dann, da die Fenstern, das gesimbs unter den Dächern und die Gallerie [von] grauer Stein Coleur sein, sehr wohl stehet“[xii]. Durch diesen einfachen Trick gewann das Mauerwerk aus der Fernsicht eine wenngleich tapetenhafte, so doch verblüffend plastisch-illusionäre Wirkung, die durch die weiß nachgezogenen Mauerfugen zusätzlich verstärkt wurde. Zudem wechselte der Farbton des Mauerwerks von dem ‚langweiligen’ Hellocker zu einem irisierenden Orange. Diese Malerei zog sich auch über die hölzernen Aufbauten, so daß die Amalienburg – eine weitere Illusion - von ferne ganz den Eindruck eines Massivbaus machte.
Ob es auch Zimmermeister Frederik Tamsen war, der die äußere Farbfassung der Amalienburg bestimmt hat, darf in Zweifel gezogen werden. Viel wahrscheinlicher ist es, daß hier der Gottorfer Hofmaler und Bauinspektor Johann Müller (1635 - 1674)[xiii] maßgebend seine Finger im Spiel hatte – nicht zuletzt deswegen, da er auch bei der Innendekoration des Gebäudes tätig war (doch dazu weiter unten)[xiv]. Die Tatsache, daß die farbliche Gestaltung der Amalienburg (im Gegensatz zu den anderen Gebäuden[xv]) im Gottorfer Bauinventar so ausführlich beschrieben wird, zeigt, daß sie nicht nur den fiskalischen Wert des Gebäudes wesentlich mitbestimmte, sondern auch untrennbar zum architektonischen Konzept gehörte: die rot-hellockeren Steine, die weißen Mauerfugen, die grauen Fenster, Balustraden und Portale, die schwarzblauen Schieferdächer und der an vielen Stellen aufblitzende magische Glanz des Goldes – dies alles muß auf den Betrachter der damaligen Zeit einen starken Eindruck hinterlassen haben. Auch der Verfasser dieses Aufsatzes erlag (nicht zuletzt wegen der sicheren Befunde) der starken Versuchung, sich an eine farbige Rekonstruktion zu wagen[xvi]. Doch die äußerliche Gestaltung war nichts gegen die innere Ausstattung des Lusthauses…
[Zeichnung: Verfasser.]
- Anmerkungen -
[i] Alle folgenden Angaben entstammen dem Bauinventar, S. 626 – 638. [ii] LAS Abt. 7 Nr. 2345, Rentekammerrechnungen 1671, fol. 117 r.: „Cordt Busch Steinhawern in Hamburg für zwei umb 240 Rtl: von demselben erhandelte Portale, davon eins ufm ober platze fürm grünen Sahle, das ander ufm Newenwercke versetzet für die aufsetzung und zu seiner Reise an tagelohn einhalt Zettels entrichtet 21rthlr“. Der Betrag wurde Busch 1671 ausgezahlt; es steht aber zu vermuten, daß er das Portal schon im Vorjahr geliefert hat. Oft verging eine längere Zeit, bis die Rentekammer ihre Schulden begleichen konnte. [iv] Dies ist wahrscheinlich, da sich das Portal erwähntermaßen in das 2½-Fuß-Raster einordnet. [v] Das Bauinventar spricht auf S. 628 davon, daß es sich um „Pilaster von Ionischer Ordre welche auff Pidestyln stehen“ handelte; ein Vergleich mit dem Meyerschen Aufriß und dem Portal im Innenhof des Schlosses zeigt jedoch, daß die Pilaster Kompositkapitelle getragen haben müssen. [vi] Bauinventar S. 631f. Der Treppenturm war sowohl von innen, wie auch von außen zugänglich, besaß aber kein aufwendiges Portal, sondern nur eine Brettertür als Eingang. [vii] Dies widerspricht zwar der Bauzeichnung die (allerdings nur im Grundriß) Pilaster an allen Eingängen erkennen läßt, doch folgt die Rekonstruktion hier Stelzner und dem Bauinventar. [viii] Bauinventar S. 629; der Sockel reichte bis zur Höhe des Treppenpodestes vor der Südtür. [ix] Das gleiche Motiv, diesmal sogar mit einem eingestellten „…Kraut Topff worauff allerhand Art blumen und gewächsen“, finden wir an der Orangerie wieder (Bauinventar, S. 642). [x] Selbst im neuerbauten Südflügel des Schlosses waren die Scheiben noch ausnahmslos in Blei gefaßt. Vergl. dazu auch die Abbildungen zeitgenössischer Lusthäuser in Hamburger Barockgärten in Heckmann S. 14ff u. S. 33. [xi] Bauinventar, S. 631. [xii] Bauinventar, S. 630. Da davon auszugehen ist, daß die Backsteine der Amalienburg aus dem hellen, ockerfarbenen Schleswiger Lehm gebrannt wurden (vergl. auch: Lühning, 1997 S. 38), dürfte also nur die eine Hälfte des Steines rot gemalt worden sein. Dabei wird es die untere Hälfte gewesen sein, die den roten Anstrich erhielt, denn nur so war auch die plastische Wirkung einer illusionären Verschattung zu erzielen. [xiii] Zu Müller vgl. den Eintrag in Weilbach 1995. [xiv] LAS Abt. 7 Nr. 2347, Rentekammerrechnung 1671, fol. 101r. [xv] Vgl. Lühning 1997, S. 52f. [xvi] Verf. konnte den Angaben des Bauinventars zunächst nicht recht glauben, da man auf den ersten Blick geneigt ist, hier an ein aufgemaltes, großformatiges Quadermauerwerk zu denken, wie es sich an manchem Renaissancebau findet. Die pedantisch-kleinteilige Bemalung der einzelnen Backsteine erschien – auf den ersten Blick - unglaubwürdig. Da das Bauinventar jedoch eindeutig davon spricht, daß „dieses Gebäude nach dickte der Mauersteine mit weißen Linien bezogen, und die Maursteine nach der Längsten diagonal Linie halbgelb und halbroth angemahlet“ waren, unternahm Verf. einen Versuch und legte maßstäbliche, nach den Angaben des Inventars kolorierte Skizzen von Blockverbandmauerwerk an. Das Ergebnis war ebenso verblüffend, wie überzeugend und räumte sämtliche Zweifel hinsichtlich des Aussagewertes des Bauinventars aus. Es blieb indes in jedem Falle eine reichlich stumpfsinnige Arbeit, die ca. 7.350 Backsteine der Südfassade (inkl. der ‚unechten’ Steine auf den Aufbauten) einzeln von Hand zu zeichnen und zu kolorieren. Wie mögen sich da einst die Anstreicher gefühlt haben!